Adriane Meinhardt: In vitro Veronica

Adriane Meinhardt: In vitro Veronica

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Adriane Meinhardt: In vitro Veronica

Erfrischend frech präsentiert Frau Meinhardt ihr satirischen Debüt, eine Sammlung von Kurzgeschichten, Reise(vorbereitungs)berichten oder wahrlich merkwürdigen Gedankenspielen. Die Autorin unterhält uns mit 21 Beiträgen, denen nur eines gemeinsam ist: Ein wiederkehrender Tenor reich an Witz, abgeschmeckt mit einer Spur Sarkasmus.

 

Sei es der nicht ganz nach Sitte ablaufende Singkreis in einer Gruppe Demenzkranker, der intellektuelle Hochgenuss eines Wagner-Festspiels oder das alltägliche Ausfüllen eines Fragebogens in einer Zeitschrift der Regenbogen-Presse – Frau Meinhardt gibt der Situation immer zwinkernd eine unerwartete Richtung.

 

Sie spielt mit Klischees ebenso wie mit regionalen Absonderlichkeiten, referenziert die Popkultur ebenso treffsicher wie sie subtil der Politik eine Grenze zieht. Ihre Geschichten gewinnen durch eine Realität, die sich durch eine authentisch schreibende und uns mitfühlen lassende Autorin aufbaut.

 

Auch wenn der Titel der Sammlung „In vitro Veronica“ der ersten Geschichte zuzuordnen ist, erinnert er nach der Lektüre etwas an das Amen in der Kirche. Vielleicht liegt es daran, dass man vorher nicht glaubt, Satire könnte auch ohne den modernen (politischen) Informationsauftrag auskommen, den viele heute bei ihr sehen. Frau Meinhardt zeigt, dass es in allen Lebenslagen genug Möglichkeiten gibt, über die wir uns amüsieren dürfen.

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Kwame Anthony Appiah: Identäten. Die Fiktion der Zugehörigkeit

Kwame Anthony Appiah: Identäten. Die Fiktion der Zugehörigkeit

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Kwame Anthony Appiah: Identäten. Die Fiktion der Zugehörigkeit

Betrachtet man die eigene Persönlichkeitsentwicklung, stellt sich unvermeidlich und immerwährend die Frage: “Wer bzw. was bin ich?” Gehen wir nicht auf die semantische Klärung der beiden Fragewörter ein, sondern halten wir ein mögliches Antwortspektrum vor Augen: Große Schwester. Sudetendeutsche. Asexuell. Bürgerlich. Sachbearbeiterin. Weiß. Alleinerziehend. Vegetarierin. Mitte 40. Buddhistin. (Mensch?)

 

Unschwer zu erkennen und rational verständlich, dass wir die Eingangsfrage in Kategorien beantworten und in eben diesen auch denken. Kwame Anthony Appiah hat in seinem Buch dieses Kategoriedenken essayistisch untersucht und für die Leserschaft anschaulich und lebensnahe dargelegt. Die Hauptforderung des Philosophen lautet, die Kategorien, denen unser Denken und Fühlen anhaftet, neu zu gestalten. Sie seien überholt, da sie sich auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zustände stützen, deren Mechanismen zur heutigen Zeit nicht mehr greifen.

 

Der Autor betont dabei, dass die Kategorien als solche nicht abgeschafft werden sollen; sie können es gar nicht. Er illustriert – oft auch an der eigenen Person – das dem Ich identitäre Zuweisungen auch durch gruppendynamische Effekte von außen zugeteilt werden. Die Ursprünge dieses Schubladendenkens und des Zugehörigkeitsgefühls zeigt Appiah kulturhistorisch kurzweilig an unterschiedlichen, um den ganzen Globus verteilten Beispielen auf.

 

Die Quintessenz seiner Überlegungen ist keine bahnbrechende Neuheit, sondern fällt auf gesunden und rationalen Menschenverstand und humanistisches Empfinden zurück. Doch in einer Zeit, in der die eigene Umwelt mehr und mehr davon geprägt wird, dass es wichtiger ist, Recht zu behalten als Recht zu haben, ist eine klare, sachliche, logische und fundierte Herleitung und Auseinandersetzung einer Thematik solide Basis für Diskussionen. Diesen Diskussionen muss die Kraft innewohnen, Dogmen, Meinungsmache und Propaganda zu widerstehen, um die gesellschaftliche Entwicklung auf einen – philosophisch betrachtet – guten Weg zu bringen.

 

Der Autor seziert förmlich in sechs großen Kapiteln die Kategorisierungen des Geschlechtes, der Religion, der Nation, der Hautfarbe, der Klasse und der Kultur. Im 7. Kapitel fasst er seine Ausführungen zusammen und zeigt nochmals die Verflechtungsdynamiken dieser Identitäten miteinander auf. Er plädiert schließlich relativ offen für den kosmopolitischen Bürger, welcher sich beispielsweise nicht an die Auslegung heiliger Schriften klammert, sondern seine Religion in praktischem Handeln lebt. Er lebt nicht in Nationen, sondern gehört einer Zivilisation an, und versteht die kulturelle Vielfalt als großes, organisches Ganzes.

 

Die Identitäten, die wir für unser Zusammenleben benötigen, sind dem Wandel unterlegen. Nur durch Veränderungen können wir sie bewahren. Sie sind notwendig, um uns selbst in eine soziale Struktur einzuordnen und begegnen uns auf kleiner, persönlicher Ebene (bspw. in der gesellschaftlichen Stellung unserer Freunde, Partner, Arbeitskollegen) wie auch auf großer, weltpolitischer Bühne (bspw. der Argumentationsbegriff des “Westens”). Da sie durch eine objektive und subjektive Komponente “geschaffen” werden, liegt es in unserer Hand, diese identitätsstiftenden Kategorien zu definieren. Praktisches Handeln gibt also Antwort auf die Eingangsfrage “Wer bzw. was bin ich?”

 

(Mensch!)

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Jochen Gartz: Chemische Kampfstoffe

Jochen Gartz: Chemische Kampfstoffe

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Jochen Gartz: Chemische Kampfstoffe

In keinem anderen Sachbuch wird die Entwicklung und der Einsatz chemischer Kampfstoffe so umfassend dargestellt wie in Jochen Gartz‘ Untersuchung. Der Autor beweist mit der Wahl der zahlreichen Abbildungen und gewählten Zitate Sachverstand, Weitblick und Einfühlungsvermögen in die komplexe Themenwelt, die er historisch vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Neuzeit vorstellt. Dabei führt er den Leser kurz in die Ausgangszustände der unterschiedlichen Stoffklassen ein und führt ihn chronologisch durch die technische Evolution der Kampfstoffe. Die Veränderungen erläutert er anschaulich durch den Wandel der politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Umstände und macht damit deutlich, dass der Kampfstoff im Krieg eine nicht zu unterschätzende Rückkopplung mit den Staats- und Militärapparaten der ihn einsetzenden Konfliktparteien schafft.

 

Deutlich erklärt der Autor z.B. den Aufstieg der chemischen Industrie in Deutschland, die durch die Notwendigkeit neuer Kriegswaffen das militärische und zivile Leben nachträglich verändern sollte. Er zeigt die Zwiespältigkeit bedeutender Chemiker, deren Entdeckungen ihnen einerseits Nobelpreise, andererseits eine Teilschuld am Tod von Millionen Soldaten eingebracht haben. Dabei bleibt sein Ton meist so sachlich, dass man z.B. die Studien Heinrich Wielands, Walther Hermann Nernsts oder Adolf von Baeyers würdigen, den Einsatz der Früchte ihrer Arbeit jedoch zutiefst ächten muss.

 

„Chemische Kampfstoffe“ bietet eine Fülle an Hintergrundwissen. Man muss kein Naturwissenschaftler sein, um den Ausführungen Gartz‘ zu folgen. Stellenweise wünscht man sich eine noch detaillierte Ausführung, die vom Autor, der selbst im Bereich der Toxikologie tätig war, scheinbar als redundant gesehen wird. Dennoch schlägt Gartz‘ Werk die Brücke zwischen Front und Etappe und hilft so, einen vielschichtigen Blick auf den Kriegsverlauf zu führen, sei er in Europa, in Vietnam oder im Zuge des „neuzeitlichen Terrorismus“ geführt worden.

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Jochen Gartz: Vom griechischen Feuer zum Dynamit. Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe

Jochen Gartz: Vom griechischen Feuer zum Dynamit. Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Jochen Gartz: Vom griechischen Feuer zum Dynamit. Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe

In Jochen Gartz‘ Buch „Vom griechischen Feuer zum Dynamit. Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe“ zeichnet der Autor sachgerecht und detailgetreu den Werdegang der militärischen und zivilen Sprengkörper nach. Seine Ausführungen beginnen in der Antike und reichen bis zur heutigen Zeit. Reich an Bildern, Zitaten und Auszügen aus historischen Dokumenten untermauert Gartz die unterschiedlichen Entwicklungen der Technologie, durch welche mehrmals die Weltgeschichte nachhaltig beeinflusst wurde.

 

Präzise und nachdrücklich legt der Autor dar, welche Verhältnisse vor der „Entdeckung“ des Schwarzpulvers geherrscht hatten, beschreibt die notwendige Ressource des Salpeters als Quintessenz der Sprengwirkung und erläutert dem Leser damit die Dominanz des Byzantinischen Reiches sowie die frühe Entwicklung der Raketen. Besonders viel Wert legt der Autor auf die Verknüpfung von Militärgeschichte und wirtschaftlicher Entwicklung, die er z.B. an den Berufen des Büchsenmachers und des Saliters nahe bringt. Auch seine These, die Verwendung von Schießpulver habe das Ende des Mittelalters und des Feudalwesens eingeläutet, begründet er anschaulich.

 

Neben den militärischen Entwicklungen geht der Autor ebenfalls auf die zivilen Nutzungen der Pyrotechnik ein und lässt seine Abhandlung nach dem Siegeszug der Feuerwaffen über Nobels Initialzündungen und einer Stellungnahme zu neuzeitlichen Bombenanschlägen zu einem kurzen Resümee kommen. Die Detailtiefe und das ausgezeichnete Begleitmaterial machen dieses Sachbuch zu einem Wissensfundus für alle an der Pyrotechnik Interessierte.

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Rezension: Lucian Blaga – Die Fähre des Popen Charon

Rezension: Lucian Blaga – Die Fähre des Popen Charon

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

 Lucian Blaga: Die Fähre des Popen Charon

„Das Mehl war warm, leicht erhitzt, wie ein lebendiger Körper, sowohl angenehm als auch archaisch der Duft.“ […] <<Noah ist Müller geworden!>>
Lucian Blaga (1895 – 1961), rumänischer Dichter, Schriftsteller, Diplomat und Philosoph, schildert in seinem erst 1990 bei Humanitas Bukarest erschienenen Roman liebevoll und detailreich Episoden aus dem Leben seiner Mitmenschen. Der Titel der deutschen Übersetzung „Die Fähre des Popen Charon“ ist dabei klug gewählt: Er symbolisiert das Grundmotiv des Romans, den Wechsel und Wandel, die Überfahrt von einer Zeitepoche zur anderen und die Veränderung der Persönlichkeit, initiiert durch gewaltsame, äußere Einflüsse.
Blaga spielt seinem fiktiven Erzähler Axente Creangă tatsächlich die Rolle des biblischen Noah zu: Im Verlauf der Nachkriegsjahre trifft Axente seine Landsleute, beleuchtet ihre Rolle und ihr Schicksal in der neuen Welt der kommunistischen Volksrepublik. Er, der patriotische Poet, bezeugt in zahlreichen Berichten und Naturbeschreibungen den Niedergang seines Vaterlandes und belegt den Umbruch der Historie am Versiegen der eigenen Quelle künstlerischen Schaffens. Als Ausweg aus dem Chaos äußerlicher wie innerlicher Veränderungen sieht Axente nur die Möglichkeit auszuharren und sich auf moralische Werte und Traditionen zu berufen, damit eine Flucht in die Zeit des Gestern gelingen kann, aus welcher die Gegenwart zu altem Glanz erneuert werden soll.
Zur Seite stehen dem Erzähler sein geistiger Zwilling Leonte und seine lyrische Muse Ana. Während Blaga die eigenen philosophischen Ansichten und Diskurse der Figur Leonte in den Mund legt, schafft er mit Ana ein Symbol der geheimen, ursprünglich mystischen Natur, der unerreichbaren Versuchung. Durch dieses Dreigespann – Axente, Leonte, Ana – ; offeriert Blaga den Lesern rumänische Traditionen, ihre Kunst und ihr Denken. Diese drei Personen erkennen, bewahren, veredeln sie und erheben sie auf eine Stufe bar jeder Nationalität: Die Liebe und das Leben sind unsagbare Geschenke.
„Die Fähre des Popen Charon“ ist eine zeitlich geordnete, kausal stimmige, allerdings nur lose Aneinanderreihung von Reminiszenzen. Die Prosasprache Blagas ist nuancenreich und bildhaft, dabei jedoch klar. Poetische Einschübe wie „die seelische Frucht an der Spitze der Wimper“ werden nur selten gebraucht. Der anfangs zitierte Auszug dieser Rezension stammt aus einer Szene, die in ihrer Schlichtheit so akzentuiert beschrieben ist, dass sie den Lesern bis zum Ende des Buches im Gedächtnis bleiben wird. Durch die strikte Einflechtung rumänischer Anreden und Ortsbezeichnungen in den übersetzten Text entwickelt sich beim Lesen eine Art Vertrautheit. Die Grammatik wirkt in den Einschüben und Gerundia anfangs etwas holprig – aber auch hier wird das Exotische bald zu einem versöhnlich-fremden Ton gewandelt. Dank des Übersetzers der deutschen Ausgabe, Friedrich Engelbert, rumänischer Romanist, verfehlen selbst Wortspiele nicht ihre schelmische Wirkung und ermöglichen eine Differenzierung der Charaktere auf einer zusätzlichen Verständnisebene.
Der Symbolgehalt des Romans ist enorm. Die titelgebende Fähre selbst zerteilt das Buch in drei Abschnitte. Ähnlich einer Überfahrt startet Axente in den ersten sechs Kapiteln des Buches, reist durch das Land, berichtet ausführlich über die vergangenen Tage, sucht seinen Platz in der Gesellschaft, verteidigt seine Integrität. Der Leser sieht den alten Glanz der Persönlichkeit Axentes bröckeln, verursacht durch die historische Umwälzung, durch Ungewissheit, Flucht, der Ohnmacht des Individuums in der gesellschaftlichen Welt. Während Axente mit seiner Familie und seinen Freunden ihren Platz suchen und den neuen Spielregeln der sich ihnen entziehenden Mächte ausgesetzt sind, wächst im Erzähler die Sehnsucht nach den vergangenen Tagen.
Mit dem Erscheinen der Fähre, des Popen und seiner Frau, wandelt sich der bisherige Erzählstil Blagas. In den folgenden Kapiteln wird deutlich mehr wörtliche Rede verwendet; die Berichtsform tritt in den Hintergrund, den Ereignissen folgen schlagartig Konsequenzen. Die Fährfahrt ist eine Bewegung, ein Übersetzen an das andere Ufer, ein notwendiger Schritt auf dem Weg Axentes. Haben die ersten Kapitel des Romans hauptsächlich das Leben gezeigt, tritt hier das Motiv der Liebe verstärkt auf und zieht Tragödien mit sich. Die Frau des Fährmanns, Octavia, bildet den Gegenpol zu Ana ab. Axentes Beziehung zu ihr stellt den Versuch dar, die Suche nach dem Gestern aufzugeben und sich der Moderne anzupassen.
Mit Vollendung des zwölften Kapitels verlässt Axente die Fähre, um an das neue Ufer zu treten. Wieder ändern sich Thematik und Inhalt; die Waage zwischen Dialog und Bericht wird gehalten, die Liebe selbst wird zentrales Motiv der nachfolgenden Kapitel. Sie ist dem Leben überlegen, welches nach und nach aus der Welt Axentes scheidet, da er sich in sein eigenes Reich zurückzieht, zurück in die Vergangenheit und zurück zu seinen alten Sehnsüchten.
Beeindruckend ist die Fülle an Details, mit der Blaga die Erzählungen und Episoden seiner Hauptfiguren ausschmückt. Manchmal scheinen sie den Leser auch unter ihrem Gewicht zu erdrücken. Jedoch generiert sich auf diese Weise ein lebendiges, engmaschiges Netz an Eindrücken, welche ein versöhnliches Ende für die Reise Axentes und seiner metaphyischen Gralssuche, knüpfen. Der Übersetzer der deutschen Ausgabe, Friedrich Engelbert, hat dem Roman im Anhang Gedichte und Briefe zwischen Axente und Ana sowie zwölf Essasys Leontes (also aus der Feder Blagas stammend) angefügt. Diese Anhänge im Buch unterzubringen, hätte das Werk überfrachtet – jedoch ist der Einblick in die philosophische Niederschriften Blagas äußerst interessant. Seine wissenschaftliche Artikulation steht zwar in der Wahl der Wörter im krassen Gegensatz zu seinem Prosawerk, jedoch sind beide Dokumente ein historisch wertvolles, emotional ansprechendes und philosophisch anspruchsvolles Vermächtnis einer Epoche, deren Charme die tiefe Liebe und Verbundenheit mit der Natur ausmacht, mit der rumänischen Tradition und den Details, welche einen zufälligen Moment des Lebens plötzlich erinnerungswürdig machen können.

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Alexander Mejerow: Vetorecht / Der fliederfarbene Kristall

Alexander Mejerow: Vetorecht / Der fliederfarbene Kristall

Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Alexander Mejerow: Vetorecht / Der fliederfarbene Kristall

Der russische Chemiker und Autor Alexander Mejerow setzt in seinen beiden bedeutendsten Werken phantastischer Literatur die menschliche Zivilisation auf die Kontaktstufe mit außerirdischem Leben. Anschaulich und bildgewaltig schildert er die Hoffnung und Wünsche, Gefahren und Ängste, die mit der so neu gewonnen Freiheit und Verantwortung einhergehen.

 

In seinem Roman Vetorecht durchlebt der Leser die Forschungsarbeit von Wissenschaftlern, denen es gelingt eine neue Form von Insekten zu züchten. Diese entpuppen sich im wahrsten Sinne des Wortes als Träger eines Geheimnisses, dass die menschliche Vernunft in den Kosmos führen soll. Aus der Perspektive mehrerer Wissenschaftler wird der Leser mit dem Prozessen konfrontiert, die auf psychologischem wie erkenntnissuchendem Handlungssträngen durch die Geschichte führen. Aufgrund des Perspektivwechsels und der Größe der moralisch angesprochenen Probleme, findet sich der Leser im Zwiekampf der Möglichkeiten wieder.

 

Anders geartet ist Mejerows Geschichte über den fliederfarbenen Kristall. Hier spannt sich ein protokollierter Rückblick auf Geschehnisse auf, die die Welt für immer verändern sollten. Grund dafür ist eine Schöpfungslegende und das Körnchen wissenschaftlicher Wahrheit, welches in den alten Mythen zu finden ist. Detailverliebt werden alle Ereignisse und Expeditionen als Reisebericht wiedergeben und machen die Einstufung der Spezies Mensch in einem galaktischem Lebensraum deutlich: Kleine Kinder, die mit dem Feuerzeug spielen. Aber werden sie sich die Finger verbrennen, oder wird die Flamme vorher vergehen?

 

Lobenswert an Mejerows Geschichten sind die fundierten Fakten, die er meisterlich versteht dem Leser – sei er selbst nicht in der Biochemie oder Insektenkunde versiert – nahe zu bringen und ein glaubwürdiges Abbild von Wissenschaft und Fiktion zu schaffen.

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