Rezension von Oliver Guntner

KULTURKOLORIST

Robert Pfaller: Die blitzenden Waffen. Über die Macht der Form

In seinem Buch “Die blitzenden Waffen. Über die Macht der Form” zeigt der Philosoph Robert Pfaller, in welch vielfältigen Lebensbereichen Formen zum Einsatz kamen (und stiefmütterlich heutzutage noch kommen). Er verfolgt unterschiedliche Ansätze, um Inhalt und Form zu definieren und streift dabei die Kunst ebenso wie die Mode, die Politik oder das soziale Zusammenleben.

 

Form und Inhalt sind nicht nur zusammengehörig, sie bedingen einander. Dabei ist die Form aber nicht bloßer Ausdruck von Ästhetik oder notwendiger Struktur; sie erweist sich ebenso als Berührungspunkt zum Rezipienten wie als konkretes Handlungselement der Sache. Das erklärt der Autor, indem er z.B. den Formalismus des Witzes als solchen beleuchtet oder auf soziale Höflichkeits- und Umgangsformen verweist. Kunst, besonders solche, die politische Ausdruckskraft haben soll, benötige daher eine geeignete Form, damit sich ihre Wirkung gezielt entfalten kann. Pfaller zieht dafür oft Beispiele aus der Fotografie hinzu und versucht, an diesen die Koexistenz zwischen Form und Inhalt, Wahrheit und Lüge sowie Schein und Sein zu vermitteln.

 

Obwohl die Sprache des Buches sehr klar und verständlich genutzt wird, verweist der Autor sehr oft auf Anektoden oder Begebenheiten, welche dem gewöhnlichen Leser ohne Kenntnis der Werke klassischer Philosophie als vollendet präsentiert werden. Zwar wird der Leser durch einen roten Faden durch die Kapitel geführt und immer wieder auf die Kovalenz von Inhalt und Form zurückgebracht, doch ergibt sich durch die Wahl der Beispiele nur eine vage Ahnung, welche Bedeutung in Pfallers Ausführungen verborgen liegt. Man hofft auf praktischere Beispiele, die sich nicht innerhalb weniger Zeilen abhandeln lassen und die mehr Substanz haben als zwei Kalauer oder drei Schwarz-Weiß-Fotografien. Besser wäre es möglicherweise gewesen, mehr an der Sprache selbst, welche die Rezipienten durch das Medium Buch automatisch verwenden, die eigenen Positionen zu festigen.

 

Da es sich um ein theoretisches Konstrukt handelt, welches aufruft, die Form wieder ins Leben zu integrieren – denn der Autor ist der Überzeugung, dass dem Inhalt in jeder Hinsicht seit Jahrzehnten der Vorzug gegeben wird – dauert es auch etwas, die Ausführungen selbst zu erfassen und zu durchdenken. Ich habe, nachdem ich dass Buch das erste Mal gelesen hatte, nochmal anfangen müssen – beim zweiten Mal hatten sich mir die Ideen Pfallers dann erschlossen. Gewissheit hatte ich allerdings erst, nachdem ich selbst, den Eingebungen der Lektüre folgend, mehr auf die Form in meinen Texten geachtet habe. Wer also nicht musiziert, modelliert, literarisch schreibt oder sich im Bereich der darstellenden Künste bewegt, wird vermutlich Schwierigkeiten haben, direkten Nutzen aus dem Buch für eigene künstlerischen Arbeiten zu ziehen.

 

Dennoch spannt Pfaller auch einen größeren, gesellschaftlichen Bogen. Ohne Rücksicht auf die Form werden wir das verlieren, was wir als Anstand und Sitte kennen, werden wir uns in unserer Empathiefähigkeit einschränken und den öffentlichen Raum verlieren. Der öffentliche Raum ist allerdings der Ort, wo wir die kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften unserer Spezies entwickelt und verfeinert haben. Mit dem Verlust der Form und ihrer spielerischen Komponente werden wir auch ein großes Stück unserer Freiheit verlieren.

 

Trotz der oben genannten Schwächen ist die Lektüre für alle geeignet, die bei der Erschaffung von Kunst keinem reinen Formalismus frönen wollen. Robert Pfallers Betonung der Form kann helfen, die Interpretation und Rezeption der Dinge in einem neuen Licht (wieder) erstrahlen zu lassen.

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